2022-04-20

Mitarbeiterin mit ungew?hnlichem Hobby: Sandra Hirsch ist erfolgreiche Kegeltrainerin

Unter den Kollegen der KION Group sind Menschen mit ungewöhnlichen Hobbys oder sportlichen Erfolgen sowie Menschen, die auch abseits ihres Jobs inspirieren. Sandra Hirsch kümmert sich bei Linde Material Handling um Internationale Events & Merchandising. In ihrer Freizeit coacht sie junge Frauen zum WM-Titel – im Kegeln. Auftakt unserer Serie zu spannenden Persönlichkeiten bei der KION Group.

Der Arm schwingt zurück. Anlauf. Die Kugel rollt, alle Kegel fallen. Aber Niemand jubelt, wenn in der Trainingshalle alles abgeräumt wird. Stattdessen herrscht: Konzentration. „Kegeln ist ein Konzentrationssport“, sagt Sandra Hirsch. „Und die kann man nur mit Kondition abrufen.“ Hirsch trainiert das deutsche Frauennationalteam. In ihrer Jugend hat sie selbst aktiv gekegelt, war U18-Weltmeisterin. Heute coacht sie junge Frauen zum WM-Titel. „Wir sind ein Weltverband“, betont sie. Gemeinsam mit Varianten wie Bowling umfasst er weltweit rund 10 Millionen Aktive. Hirsch betont das auch deshalb, weil Kegeln eine Sportart ist, die noch weniger Fernsehpräsenz bekommt als jene Randsportarten, die zumindest alle vier Jahre bei Olympia Aufmerksamkeit erhalten.

Warum ist Kegeln nicht olympisch?

Es gibt keinen triftigen Grund warum ein Konzentrationssport wie Bogenschießen Teil der Olympischen Spiele ist, oder eine Kugelsportart wie Curling – aber Kegeln nicht. Außer der simplen Tatsache, dass manchmal eben Zufälle über solche Zusammensetzungen entscheiden. Bowling schaffte es 1988 ins Vorprogramm der Spiele von Seoul und war auch 2020 zusammen mit Sportarten wie Wushu und Squash auf der Shortliste, wurde aber aussortiert.

K?rpergefühl, Spannung, Konzentration

„Wirtshausromanik“ nennt es Hirsch, wenn sie vom Image spricht, das Kegeln insbesondere in Deutschland hat. Etwas, das in Kellern von Gaststätten stattfindet, oder ein Einmal-Ereignis für Kindergeburtstage ist. Mit dem Hochleistungssport, den sie betreibt, hat das in etwa so viel zu tun, wie ein Hinterhof-Kick mit der Fußballbundesliga. Die Klischees in der Außenwahrnehmung prallen ohnehin an Hirsch ab, sie scheint es eher amüsant zu finden, wie leicht ein Sport missverstanden wird. Viel lieber spricht sie über die Faszination, die sie bereits als Jugendliche beim Kegelsport gespürt hat: „Man will immer den perfekten Wurf“, sagt sie. Um den zu erreichen, brauche es Koordination, Körpergefühl, Spannung, Konzentration – zahlreiche Muskeln müssten perfekt zusammenspielen: „Da werden Muskelgruppen gefordert, die man sonst gar nicht beansprucht.“ Im Idealfall steht dann am Ende jene perfekte Choreographie aus Anlauf, Armpendel und fallenden Kegeln.

Hirsch kam über ihre Eltern zum Kegeln, auch ihre Mutter war in der Nationalmannschaft. Die Region rund um Aschaffenburg, wo Hirsch aufwuchs, ist eine traditionelle Hochburg des Kegelsports. Bereits in der Schulzeit spielte sie auf Vereinsniveau, dreimal die Woche, plus Kraft- und Ausdauertraining. „Wenn die Erfolge kommen, bleibt man aber gerne dran“, sagt sie: „Man merkt, dass es die Arbeit wert ist.“ Hirschs Arbeit war es wert: 1998 gewann sie bei der U18-WM sowohl im Einzel als auch mit der Mannschaft. Irgendwann stellte sie fest, dass sie gut darin war, andere Sportlerinnen zu coachen. Hirsch absolvierte die Trainerausbildung, wurde Nationaltrainerin – und blieb dabei, seit zehn Jahren. Zweimal führte sie in dieser Zeit ihr Team zum WM-Titel, 2017 und 2021.

Auf den Punkt die bestm?gliche Leistung abrufen

Die Herausforderung als Trainerin besteht nun darin, den Sportlerinnen im Nationalteam jenen perfekten Wurf zu ermöglichen. Und das immer wieder. 120 Mal wirft eine Spielerin bei einem Wettkampf hintereinander, innerhalb von etwa einer Stunde. 120 Mal der Versuch, den exakt gleichen Ablauf zu reproduzieren. Für den Erfolg gebe es kein Patentrezept, denn das Zusammenspiel der Muskeln sei bei jedem Menschen anders: „Jeder hat ein anderes Körpergefühl, einen anderen Bewegungsablauf“, beschreibt Hirsch. Obendrein müssen die Sportler lernen, die Bahn zu lesen. Wie eine Kugel rollt, hängt unter anderem auch vom Material der Bahn ab – und auch von der Temperatur in der Halle. Zudem gehe es schließlich auch darum, das richtige Team zusammenzustellen, mit unterschiedlichen Charakteren, die am entscheidenden Tag topfit sind. Hirsch spricht in diesem Zusammenhang immer wieder vom „Tag X“, jenem Moment, an dem Sportler auf den Punkt genau ihre bestmögliche Leistung abrufen. Und wieder klingt da mit: Kegeln ist Konzentration.

Der „unheimliche Wille, immer dran zu bleiben und sich zu verbessern“, habe sie auch beruflich geprägt, schildert Hirsch. Sie merke, wie der Sport ihr geholfen habe, sich auch dann fokussieren zu können und Ruhe zu bewahren, wenn Deadlines sich nähern. Hirsch ist bei Linde Material Handling verantwortlich für Projekte im Bereich Internationale Events und Marketing. Sie organisiert zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen jene Veranstaltungen, auf denen Kunden sich ein Bild der Materialflusslösungen von der Staplerwelt von Linde machen können. Da diese oft individuell auf Kunden zugeschnitten sind, sei der Austausch zwischen Experten und Käufern umso wichtiger – in Zeiten der Pandemie eine Aufgabe unter erschwerten Bedingungen: „Anfassen und fühlen, das lässt sich digital nicht eins zu eins übertragen.“ Seit 22 Jahren arbeitet sie für die KION-Marke Linde, als sie 19 war, stieg sie im Produktmarketing ein, studierte einige Jahre später Marketing. Parallel dazu engagierte sie sich im Kegelsport, heute hat sie zwei Kinder im Kindergartenalter. Das Kegeln habe sie gelehrt „sehr belastbar“ zu sein, sagt Hirsch.

Zwischen Physis, Konzentration und Team-Play

Noch sind ihre Kinder zu jung, um selbst mit dem Kegeln anzufangen: Für die speziellen Kraftbewegungen seien Muskulatur und Skelett erst ab acht bis neun Jahren sinnvoll ausdefiniert. Gleichzeitig wirbt Hirsch mit Hingabe und Überzeugung dafür, Kinder an den Kegelsport heranzuführen. „Man lernt da so viel“, unterstreicht sie. Nicht nur was Physis und Konzentration angehe – auch der Teamgedanke sei entscheidend. Mit Sorge betrachtet Hirsch die Tatsache, dass Kinder immer seltener in Sportvereine einträten. „Wir waren früher in zwei bis drei Vereinen gleichzeitig aktiv“, sagt sie. „Ich sehe da ein riesiges Loch.“ Gerade in Zeiten, in denen so viele Kollegen über Rückenschmerzen im Homeoffice klagten, sei es nicht nur enorm wichtig, einen Ausgleich zu haben, sondern von Kindheitsbeinen mit Sport vertraut zu sein.

Aber Kinder und Jugendliche langfristig zu gewinnen ist nicht ganz so einfach. „Wir hängen den Trendsportarten hinterher“, gibt Hirsch unumwunden zu – wie zum Beispiel dem Bowling . Zur Konkurrenz wurde diese Variante ja nicht deswegen, weil ein Kegel mehr auf der Bahn steht, die Kugel größer ist und man sie mit drei Fingerlöchern etwas bequemer greifen kann: „Bowling wurde trendy, weil die Bowlinghallen von Anfang an ein anderes Konzept hatten“, sagt Hirsch. Mit Restaurants, Musik und blinkenden Bildschirmen: „Als Jugendliche sind wir in den 90ern auch gerne bowlen gegangen.“ Als Verband mache man sich selbstverständlich Gedanken, wie Kegeln noch attraktiver werden könne, sagt Hirsch. Die Nationaltrainerin hat höchstes Interesse daran, Jugendliche für den Sport zu begeistern. An „blinkenden Bildschirmen“ soll es jedenfalls nicht scheitern – immer mehr Kegelbahnen und Kegelvereine modernisierten sich auch bewusst in ihrem Auftreten, bekräftigt sie. Und die Atmosphäre bei internationalen Wettbewerben steht jener bei ähnlichen Sportveranstaltungen nicht nach – mit lärmenden, jubelnden Zuschauern und ausverkauften Hallen.

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Das „Touch and Feel“, das Anfassen und Fühlen, ist bei Intralogistik-Veranstaltungen wie Messen genauso wichtig, wie wenn man Menschen für einen Sport begeistern möchte. Wer die Faszination Kegeln spüren will, muss die Kugel in die Hand nehmen.

Sandra Hirsch, Veranstaltungsmanagement bei Linde Material Handling

Perfektion gelingt nicht zwischendurch

Hirsch registriert es trotzdem, wenn Kegelvereine, die eine exzellente Jugendarbeit betreiben, trotzdem nach und nach die Spieler verlieren, weil diese zu anderen Sportarten abwandern – oder dem Hochleistungssport ganz den Rücken kehren: „Aber wir bleiben da dran, wir kämpfen für unseren Sport.“ Hirsch lädt immer wieder gerne Menschen zum Probetraining ein. Auch hier verknüpfen sich für sie berufliche und sportliche Erfahrung: Das „Touch and Feel“, das Anfassen und Fühlen, sei bei Intralogistik-Veranstaltungen wie Messen eben genauso wichtig, wie wenn es darum gehe, Menschen für einen Sport zu begeistern. Wer die Faszination Kegeln spüren will, muss die Kugel in die Hand nehmen.

Hirsch selbst tut das übrigens in ihrer Freizeit mittlerweile seltener. Das hat aber eher damit zu tun, dass sie nach wie vor den Anspruch hat, einen „perfekten Wurf“ hinzulegen. Und für den braucht es ein „ordentliches Aufwärmprogramm“, wie sie schildert. Das geht also nicht mal so schnell zwischendurch: „Wir reden hier von einer Schwungbewegung, die abrupt gestoppt wird, da müssen Beine und Knie das ganze Gewicht abfangen.“ Deswegen auch die intensiven Kraft- und Ausdauertrainings, die sie in ihrer Jugend geleistet hat. „Wenn ich das heute nebenbei aus Spaß machen würde, hätte ich ruckzuck einen Muskelfaserriss.“ In Kegelhallen ist sie trotzdem noch häufig zu finden. Als Trainerin, die ihre Werte an die nächste Generation weitergibt: Konzentration – und das Streben nach Perfektion.

Was ist der Unterschied zwischen Kegeln und Bowling?

Sportlich hat das Kegeln seit einiger Zeit Konkurrenz durch jenen Sport bekommen, der in Deutschland „Bowling“ heißt. Eine Kegelvariante, die im 19. Jahrhundert in den USA entstanden ist, und bei der auf zehn Kegel geworfen wird, anstelle auf die neun Kegel aus Hirschs Disziplin. International sind beide Varianten Teil des desselben Dachverbands und sprachlich auch deutlich enger beieinander: Vom „Nine-Pin-Bowling“ und „Ten-Pin-Bowling“ spricht man im Englischen. Als Hochleistungssport ist Bowling in Amerika, Skandinavien und Asien präsenter, während das Kegeln seine Hochburgen in Zentraleuropa und Südosteuropa hat. Tatsächlich existiert Kegeln in Deutschland bereits seit dem Mittelalter. 1885 wurde der „deutsche Keglerbund“ gegründet, Regeln vereinheitlicht und eine Trennung zwischen Sport und Spiel gezogen.

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